Montag, 30.1. bis Sonntag, 5.2.
Jeannine: Die Woche beginnt am frühen Montag morgen mit einem krachenden Gewitter. Es donnert so heftig, dass wir aus dem Schlaf schrecken. Danach folgt sturzflutartiger Regen. Zur gleichen Zeit hagelt es in Tarifa, und die Wohnmobilstellplätze werden teilweise überflutet. Unsere Spanischlehrerin Bea zeigt Fotos von Hagelhaufen, die aussehen wie Schnee und kann es gar nicht fassen, dass so etwas in Tarifa vorkommt. Radfahren ist heute nicht, weil es auch tagsüber schüttet und stürmt. Claus fährt mich und holt mich auch wieder ab.
Ich bin wieder in meiner „alten“ Klasse. Inzwischen ist noch Nadja dazugestoßen, eine Italienerin, der Spanisch naturgemäß leicht fällt. Sie wohnt in der Nähe von Bologna und arbeitet in einem Kulturzentrum, das sich dem italienischen Partisanenkampf während des zweiten Weltkriegs widmet. Da wir nebeneinander sitzen, ist sie meine neue Partnerin bei den Sprachübungen.
Claus hat auf dem Campingplatz ein Ehepaar aus Mönchengladbach kennengelernt. Die beiden, Herbert und Dagmar, nehmen uns am Mittwoch Nachmittag mit dem Auto auf eine kleine Exkursion mit in die Berge oberhalb von Bolonia. Da war ich auch schon mal mit dem Fahrrad gewesen und hatte die Aussicht bewundert. Diesmal geht es noch ein Stückchen höher, und der Fokus liegt im Himmel. Wir bewundern eine ganze Truppe von Gänsegeiern, die majestätisch über uns kreisen und in den Felsen am Nestbauen sind. Wir bleiben über eine Stunde da oben, und es ist wie Meditation. Die Geier kreisen, der Himmel ist blitzeblau, und die Aussicht grandios.


Danach gibt‘s noch eine Tasse Kaffee und eine Verabredung zum Pizzaessen.
Am Donnerstag macht die ganze Schule (wobei wir momentan nur 9 Schüler sind) eine Exkursion zum Kastell von Tarifa. Schulleiter Gaspar erklärt uns sachkundig die historischen Hintergründe und führt uns durch die Räumlichkeiten. So erfahren wir, dass das Kastell bis in die 1930er Jahre direkt ans Meer angrenzte, und der Zugang zur Stadt durch eines der Tore führte. Erst dann wurde der Hafen gebaut, der heute vor dem Kastell liegt.


Das Kastell selbst wurde nach der Eroberung Tarifas im 10. Jahrhundert von den Mauren gebaut. Nach der Rückeroberung durch die Christen 1292 wurde ein (maurischstämmiger) Statthalter namens Guzman in der Burg eingesetzt. Bei einem Angriff der Mauren, die die Stadt 1294 wieder in ihre Hände bringen wollten, geriet Guzmans Sohn in die Hände der Araber. Die Mauren drohten Guzmans Sohn umzubringen, wenn er die Stadt nicht aufgeben würde. Guzman blieb standhaft und weigerte sich, die Stadt für seinen Sohn zu opfern. Das Flehen seiner Frau ignorierend warf er den Mauren noch einen Dolch für die Ermordung seines Sohnes zu. Für diese Heldentat ging Guzman als „il bueno“ (der Gute) in die Geschichtsbücher ein. Überdies erhielt er von König Sancho IV von Kastilien umfassende Fischereirechte sowie Ländereien, die den Reichtum seiner Familie begründeten. Was mit dem Sohn passiert ist, steht nirgendwo.

Am Freitag waschen wir blitzschnell zwei Maschinen Wäsche, weil es sonnig und schön ist. Abends gehen wir mit Herbert und Dagmar Pizza essen. Der Wirt ist Deutscher und Borussia-Fan. An den Wänden hängen vier bis fünf riesige Fernseher, auf denen natürlich Fußball läuft. Die ganze Kneipe sieht aus wie ein Fanshop, und das Publikum ist selbstredend überwiegend deutsch. Nach der Pizza gibt es noch eine Absacker in der Campingbar. Ein sehr netter Abend.

Schon seit Donnerstag habe ich Halskratzen. Trotz sofortiger Teekur mit Infektblockertee kann ich die Erkältung nicht mehr abwenden. Samstag bis Montag liege ich flach und bewege mich kaum vom Wohnmobil weg.
Donnerstag, 9.2.
Claus: So, seit Längerem haben wir uns nicht mehr gemeldet, was daran liegt, dass es nichts Besonderes zu berichten gibt. Der Wecker klingelt um 8:00, Jeannine fährt in die Schule, ich hüte das WoMo. Um ca. 14:30 essen wir zu Mittag, danach muss Jeannine Hausaufgaben machen und Vokabeln lernen. Zudem wurde das Wetter auch schlechter und den für das letzte Wochenende geplanten Ausflug musste wir canceln, da Jeannine erkältet war. Da man sich auf ca 10qm nicht aus dem Weg gehen kann….genau, jetzt bin ich erkältet. Montag musste Jeannine sogar die Schule absagen.
Ich habe eben alle Dinge draussen „gesichert“, da es morgen Sturm mit Böjen bis über 90 km/h geben soll. Wir hoffen, dass es nicht ganz so schlimm wird.
Soweit der Bericht von den Dauercampern. Der Sprachkurs geht nun noch 6 Tage, dann können wir (endlich) mal ein Stück weiterfahren.
Montag, 4.2. bis Sonntag, 12.2.
Jeannine: Montag ist wunderbares Wetter, und ich pflege meinen Schnupfen. Bisher hat es Claus noch nicht erwischt, aber bei der Enge im Wohnmobil ist das leider nur eine Frage der Zeit. Dienstag bin ich wieder fit und kann in die Schule.
Bisher bin ich gerne jeden Tag nach Tarifa zur Schule geradelt, aber am Donnerstag macht das erstmalig keinen Spaß. Der Wind ist so stark, dass ich richtiggehend abgedrängt werde, wenn mich LKWs oder Busse überholen. Auf dem Rückweg mit Rückenwind geht es besser. Nachmittags treffen wir uns wieder mit unseren neuen Freunden Herbert und Dagmar zum Essen im benachbarten „Hurricane Hotel“. Dort gibt es einen Pavillon mit Terrasse, auf der wir wunderbar windgeschützt sitzen und aufs Meer blicken können. Das Essen ist auch ok. Das kulinarische Highlight haben wir in Spanien bisher noch nicht entdeckt. Alles ist oft etwas fade und leider meistens nur lauwarm. Gut, dass wir selbst kochen können; dieses Niveau kann man allemal toppen. Aber hier geht es gar nicht so sehr ums Essen, sondern wir genießen die Gespräche mit Herbert und Dagmar.
In der Nacht auf Freitag kommt der Sturm, den alle Wetterberichte angekündigt haben. Wir stehen mit der Längsseite zur Windrichtung, und das Wohnmobil schaukelt so stark, dass wir Angst haben umzukippen. Es ist eine unruhige Nacht, wir schlafen beide schlecht. Morgens frage ich an der Rezeption angelegentlich, ob denn schon mal ein Wohnmobil umgekippt sei. Ist aber nicht, was uns sehr beruhigt. Zur Schule fahre ich jedenfalls sicherheitshalber mit dem Taxi. Bei dem orkanartigen Sturm wollen wir auch das Wohnmobil nicht bewegen.

Nachmittags backe ich erstmalig einen Kuchen in unserer Omnia-Backform. Alles natürlich improvisiert, gerührt wird im größten Topf mit einer Gabel. Aber es klappt, und ich bin ganz stolz auf meinen Geburtstagskuchen für Claus.

Am Samstag wird das Wohnmobil noch mit einer Spanischen Geburtstagsgirlande dekoriert, die ich in einem der Chinesen-Läden erstanden habe. Aber die Chinesen haben es wohl nicht so mit Spanisch: Es fehlen doch tatsächlich zwei Buchstaben im Glückwunsch! Claus freut sich trotzdem. Das ganze Wochenende stürmt es so stark, dass man gar nicht viel machen kann.

Montag, 13.2. und Dienstag 14.2.
(Claus:) Wir treffen eine spezielle Entscheidung.
Nachdem Jeannine am Montag wieder wegen des starken Windes*, mit dem Taxi zur Schule fahren musste (es gibt keine Busverbindung) und dies die ganze Woche wohl so sein wird und weil ich seit Sonntag extrem erkältet bin, beschließen wir, dass Jeannine bis Freitag in ein Apartment in Tarifa zieht. Sie spart somit die Taxifahrerei (pro Tag EUR 30.-), kann in Ruhe schlafen und sich auf die letzte Schulwoche konzentrieren. Ich kann mich (hoffentlich) kurieren und schlafen, wenn ich schlafen muss/will.
Gemeinsam suchen wir abends ein zentral gelegenes Apartment (kostet dann auch nicht sooo viel mehr als das tägliche Taxi) und buchen es ab Dienstag. Mitentscheidend: Es muss eine Heizung haben! Dies ist, wir wir zufällig von anderen gehört haben, in Tarifa nicht selbstverständlich. Jeannine packt ihre Tasche und checkt dort am Dienstag Morgen bereits ein.
Nun ist sie bis Freitag (Kursende) direkt vor Ort, und ich kann hier rumhusten.
*zum Thema Wind: Es herrscht derzeit der Levante, ein sehr starker Wind von Ost nach West. Durch die Meerenge von Gibraltar entsteht eine Düsenwirkung, die zu sehr starken Winden und Böen führt und dies teilweise 2 Wochen anhaltend. Unten die Geschwindigkeiten vom Freitag. Fahrradfahren wird unmöglich bis lebensgefährlich, besonders auch, da der Radweg entlang der recht befahrenen Nationalstraße verläuft.

Gegenüber von unserem Platz steht seit Samstag ein Typ, der Reisen mit dem Wohnmobil nach Marokko organisiert. Er erzählt mir, dass derzeit wegen des Sturms keine Fähren übersetzen. D.h. in Tarifa warten mehrere Personen in ihren Fahrzeugen auf die nächste Überfahrt. Seine Kunden (in sexhs Wohnmobilen) treffen hier am Dienstag ein. Er hofft, dass sie am Mittwoch starten können. Die Reise ist geplant für vier Wochen, zzgl. An- und Rückreise. Ärgerlich, wenn man dann einige Tage „verliert“ weil man auf die Fähre wartet. Aber so ist das eben bei Fernreisen!
P.S. zum Thema Wind: Selbst für die Surfer und Kiter hat es zu viel Wind. Hinzu kommt, dass der Wind Richtung Atlantik bläst und die Gefahr groß ist, aifs Meer getrieben zu werden. Genau dies ist am Freitag fast einem Surfer passiert, der mit viel Glück nach drei Stunden aus eigener Kraft ans Land zurück gelangte (ihm war das Zugseil gerissen).
Donnerstag, 16.2.
(Claus:) Heute eine weitere Premiere!
Habe mittelprächtig geschlafen, obwohl ich ja Platz und Ruhe hatte. Aber auch Jeannine schläft im Apartment nicht besonders gut. Da mein Husten auch nicht wirklich besser wird, habe ich beschlossen, in Tarifa zu einem Arzt zu gehen. Also alle wichtigen spanischen Übersetzungen für Husten. Auswurf, Bronchitis, Antibiotika, usw. rausgesucht und aufgeschrieben.
Beim Campingplatz-Empfang nochmals nachgefragt, ob das Medzinzentrum auch das richtige wäre. Ja! OK. Ob sie mir bitte dort einen Termin machen könnten? Das sollte ich nicht, den bekäme ich dann erst in 2-3 Wochen. Sollte einfach als Notfall hinfahren. Nun gut. Habe mich mental auf 3-4 Stunden Wartezeit eingestellt. Also rufe ich mir ein Taxi zum Campingplatz, und wir fahren in die Stadt. Dort angekommen, bin ich sehr überrascht, weil das Wartezimmer bis auf eine Person leer ist. Außerdem ist alles sehr klein. Bei Medizin-Zentrum dachte ich an mehrere Ärzte, ständig klingelndes Telefon, mehrere Wartezimmer und Wuseln im Gang. Statt dessen ist der Empfang ist unbesetzt, da die Arzthelferin immer in einem der hinteren Zimmer ist. Wer rein möchte, muss klingeln, dann kommt sie und öffnet die Tür. Es scheint zwei Ärzte zu geben.
Nach fünf Minuten bin ich dran. Das Arztzimmer ist vom Boden bis zur Decke voll mit Pokalen – Surfen, Kiten, Segeln, Fotos von Wellen und Leuchttürmen…soweit ich dies überblicken kann. Gerne hätte ich ein paar Fotos gemacht. Aber dafür bin ich ja nicht hier. Nachdem meine Personalien auf einem Post-it erfasst und vom Chef in den Computer eingegeben sind, gehen wir in den Nebenraum zur Untersuchung. Die macht er sehr gründlich und entdeckt die Stelle, an der es „rasselt“. Zurück im Chefzimmer schreibt er den Bericht, die Rezepte und die Rechnung (80.- EUR).
Die Rechnung zahle ich per EC und bin nach knapp 30 Minuten wieder draußen, mit einem sehr guten Gefühl. Schnell noch zur Apotheke und dann gemeinsames Mittagessen mit Jeannine, die mittlerweile schulfrei hat und von der Schule zur Tapas-Bar kommt. Das Essen ist leider wieder nur mittelprächtig…
Mit dem Taxi wieder zum Campingplatz, Tagesziel erreicht. Irgendwann kommt Dagmar vorbei und fragt, ob ich einen Teller Gemüseeintopf haben möchte, den sie gestern gekocht hat. Da sage ich sicher nicht Nein. Außerdem schlagen sie vor, da sie morgen eh einkaufen wollen, Jeannine von der Schule abzuholen und sie mit zum Einkaufen zu nehmen. Total nett, sympathisch und hilfsbereit die beiden – toll!
Ich esse meinen Eintopf und bin happy.

Bis um 22:00 Uhr. Ich gehe ins Bett und kann absolut nicht schlafen. Draußen tobt der Sturm, und ich bin hellwach. Stehe wieder auf. Gehe um 23:30 wieder ins Bett. Stehe wieder auf und schreibe dies hier um mittlerweile 6:00. Und habe so gut wie nicht geschlafen.
Die Böen bringen das WoMo stark zum Schaukeln. Auf dem Nebenplatz hat jemand ein Zelt aufgeschlagen, das knattert und flattert. Aber es scheint zu halten. Vorhin habe ich etwas Musik gehört, vielleicht hat er sich ein bisschen Mut gemacht?
Der Sturm nervt nun schon seit zwei Wochen. Am Stück. Permanent. Rund um die Uhr. Obwohl es fast 14 Grad ist, kann man nicht draußen sitzen. Fahrradfahren unmöglich. Laufen schwierig. Mit dem WoMo sollte man auch nicht fahren, da man mit ca. 2,70m Höhe eine enorme Angriffsfläche bildet.
Nun, morgen/heute werden wir besprechen wohin es weitergeht. Der Spanischkurs ist dann fertig, und wir beenden unser Dauercamperdasein und werden wieder mal fahren (wohnMOBIL)…
Montag, 13.2. bis Sonntag, 19.2.
(Jeannine): Die letzte Woche Spanischkurs! Am Montag stürmt es wieder so stark, dass ich mit dem Taxi fahre. Ich bin total unausgeschlafen. Claus hat nachts fürchterlich gehustet, und wir konnten beide nicht schlafen. Wir entscheiden deshalb am Montagabend, dass ich bis Ende der Woche in ein Hotel in Tarifa ziehe. Das fühlt sich sehr komisch an. Am Dienstag morgen habe ich das Gefühl, „auszuziehen“. Aber es ist definitiv die richtige Entscheidung.
Das Hotel liegt mitten in der Altstadt und hat vollautomatischen Checkin, den Zimmercode erhält man per whatsapp. Die ganzen vier Tage sehe ich kein einziges Personal. Wesemtlich größer als unser Wohnmobil ist das Zimmer auch nicht. Man kann immerhin bequem rund ums Bett laufen, aber das war es auch schon. Es gibt eine Küchenzeile, aber weder Stuhl noch Tisch. Wie das wohl gedacht ist? Kochen geht, aber gegessen wird auf dem Bett? Immerhin kann ich mir Tee zubereiten.. Es gibt außerdem eine Heizung, was in andalusischen Unterkünften nicht selbstverständlich ist. Die besteht aus einer Klimaanlage, die auf Wärme umgestellt werden kann, hängt an der Decke und bläst warme Luft von oben herunter. Am Boden bleibt es kalt, und gegen den Zug von der undichten Zimmertür hilft sie auch nicht. Das Ganze ist bei weitem nicht so gemütlich wie in unserem Wohnmobil, aber definitiv besser als keine Heizung.


Absolut genial ist der Standort mitten in der Altstadt. Alles ist in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar, auch die Schule. Unterwegs kann ich mir in der Markthalle die tägliche Ration Obst besorgen. In den drei Tagen gehe ich nach der Schule etwas essen, mache einen langen Strandspaziergang und verziehe mich dann aufs Zimmer zum Hausaufgaben-machen, Telefonieren und Lesen. Einen Abend zappe ich mich durch spanische Fernsehsender und freue mich, wenn ich ein bisschen was verstehe.


Der Sturm hält die ganze Woche über an. Es ist übrigens der Levante, der aus Osten kommt und sozusagen durch die Straße von Gibraltar gepresst wird. Er wird durch die Sierra Nevada auf spanischer und den Atlas auf marokkanischer Seite kanalisiert und erreicht in der Meerenge seine größte Kraft, bevor er auf dem Atlantik wieder an Energie verliert.
Nur eine Handvoll Surfer traut sich aufs Wasser. Auch für die Profis ist es offensichtlich nicht ungefährlich. Wir hören von zwei Kitern, die abgetrieben werden. Einer kann sich nach drei Stunden aus eigener Kraft retten, beim anderen wurde die Rettung verständigt. In der Stadt ist der Sturm zwar nicht gefährlich, aber lästig. Ich hätte nie gedacht, dass Wind nerven könnte, aber die ständige Geräuschkulisse und die Windböen, gegen die man ankämpfen muss, sind geradezu anstrengend.
Meine kulinarischen Erlebnisse in Tarifa halten sich wieder sehr in Grenzen. Wieder überwiegt der Eindruck, dass alles entweder fritiert oder fade, auf jeden Fall aber lauwarm ist. Ich probiere Lokale, die von den Lehrern an der Schule wärmstens empfohlen werden, aber das Ergebnis ist immer gleich. Mit einer Ausnahme: der Mexikaner, zu dem wir an einem Abend im Rahmen eines Schulausflugs gehen. Das Essen dort ist richtig gut und wird in zischenden Pfännchen serviert. Und dann gibt es noch die Konditorei La Tarifeña, die leckere und optisch sehr aufwändige Küchlein und Torten produziert. Am Dienstag ist Valentinstag, und dafür haben sie sich richtig ins Zeug gelegt.


Wie Claus schon berichtet hat, holt mich Dagmar am Freitag netterweise von der Schule ab, und wir beide machen einen ausgedehnten Shoppingtrip zu Lidl und Mercadona. Wir quatschen über Gott und die Welt, über Männer und Kochrezepte, und das blöde Einkaufen macht richtig Spaß. Das „Heimkommen“ ins Wohnmobil ist genau das: Heimkommen. Claus hatte eine ganz unruhige Nacht, und sieht müde und schlecht aus. Ich packe aus, wir essen diverse Reste und gehen früh schlafen. Am nächsten Morgen geht es ihm viel besser.
Das Wochenende verbringen wir mit Waschen, Aufräumen, Kochen und Essen. Die Wäsche „steht“ waagerecht im Wind und wird so glatt wie gebügelt. Außer kleinen Spaziergängen ist nicht mehr drin, weil es unablässig stürmt. Sonntag packen wir das Wohnmobil, damit wir am Montag gleich loskommen. Und wir gehen „Abschieds-Kuchenessen“ in die Tarifeña am Hafen mit Dagmar und Herbert. Wie immer ist es total nett. Wir tauschen Telefonnummern aus und laden uns gegenseitig nach Hause ein.
Montag, 20.2.
Am Morgen werden wir sehr herzlich verabschiedet von Dagmar, Herbert und den Campingplatz-Mitarbeitern. Netterweise können wir unsere spanische Gasflasche auf dem Platz deponieren bis nächstes Jahr. Den Adapter nehmen wir natürlich mit!
Unser erstes Ziel ist ein Stellplatz in den Bergen, ca. 40 km vor Ronda. Kaum biegen wir kurz hinter Algeciras ins Landesinnere ab, wird es idyllisch. In der Nähe von Castellar de la Frontera sind auf fast allen Strommasten Vorrichtungen angebracht, auf denen Störche ihre Nester bauen können.

Wir machen Halt in Los Angeles, das wirklich so heißt. In einer Kneipe probieren wir Tapas, die uns erstmalig richtig gut schmecken. Dito der Kaffee. Die Preise sind etwa die Hälfte von denen in Tarifa. Die Straße windet sich in Serpentinen durch die Berge, dazwischen blitzen weiße Dörfer. Es ist ein bisschen windig, mit Betonung auf ein bisschen. Welche Wohltat.

Der Stellplatz liegt nahe einem winzigen Dorf in den Bergen, ist ganz ruhig und hat eine wunderbare Aussicht. Es gibt überall gut ausgeschilderte Wanderwege. Ich mache eine kleine Tour und komme an großen Korkeichen vorbei, die wegen ihres Alters „Großväter“ genannt werden. Sie werden übrigens nur alle neun Jahre geschält.

Während ich unterwegs bin, kommt Claus mit Nachbarn auf dem Stellplatz ins Gespräch. Da sie aus Oldenburg kommen, frägt er sie einfach mal so, ob sie meine Freundin Nicki kennen. Und tatsächlich, sie kennen sie aus der Kirchengemeinde. Wie klein die Welt doch manchmal ist.
Dienstag, 21.2.
Nach dem Frühstück fahren wir auf einer Bergstraße Richtung Ronda. Für die 40 Kilometer brauchen wir eine gute Stunde, aber es ist einfach nur schön. Wir sehen rosablühende Bäume – die Mandelblüte hat schon begonnen.
Ronda liegt auf einem Hochplateau und wird durch eine rund 100 Meter tiefe Schlucht geteilt. Sie ist Resultat eines tektonischen Bruchs, durch den der Fluß Rio Guadalevin in mehreren Kaskaden nach unten stürzt. Drei Brücken führen von der mittelalterlichen Altstadt in die „Neustadt“ aus dem 15. Jahrhundert. Die Gässchen mit den Souvenirshops, Cafés und Restaurants sparen wir uns. Dito die Stierkampfarena, obwohl diese die älteste Spaniens ist. Zwar wurde der Stierkampf in Ronda nicht erfunden, doch wurden hier Ende des 18. Jahrhunderts die heute noch gültigen Regeln der „Corrida“ festgelegt. Aber Stierkampf bleibt ein blutiges Spektakel und interessiert uns nicht so sehr. Statt dessen laufen wir über die untere „alte Brücke“ in die Altstadt, genehmigen uns in einer Kneipe am Rande der Schlucht ein spanisches Frühstück (Tomatenbrot und Kaffee) und laufen nach oben zur „neuen Brücke“, die sich 70 Meter lang und 100 Meter hoch in drei Bögen über die Schlucht spannt. Rund um die Stadt gibt es wunderbare Ausblicke auf das Umland. Auf der Neustadtseite wurden Gärten entlang der Schlucht angelegt, die imposante Perspektiven von unten auf die Neue Brücke und hinab in den Canyon ermöglichen.



Wir fahren weiter in das Dorf Grazalema in den Bergen. Die Straße ist hier so schmal, dass wir bei Gegenverkehr die Luft anhalten. Grazalema ist wieder ein weißes Dorf (die Dörfer hier sind ja alle weiß!) und liegt malerisch an einer Felsflanke. Eigentlich wollen wir auf den dortigen Campingplatz, aber der gefällt uns nicht, weil er sehr schattig ist. Statt dessen stellen wir das Auto auf einen Stellplatz, der auf einer Terrasse oberhalb des Dorfes liegt. Wir haben eine super Aussicht, noch ein bisschen Sonne und nette Nachbarn, mit denen Claus sofort ins Gespräch kommt. Ich erkunde derweil das Dorf.
Mittwoch, 22.2.
Eigentlich würden wir hier gerne noch einen Tag bleiben, aber wir brauchen doch nochmal kurz die Infrastruktur eines Campingplatzes. Bevor wir losfahren, laufen wir ins Dorf, um auf dem Marktplatz einen Kaffee zu trinken. Dort treffen wir die anderen Stellplatznachbarn und verplaudern fast zwei Stunden mit ihnen. Sowohl sie als auch wir finden das Gespräch wichtiger als den eigentlichen Tagesplan. Welcher Luxus, wenn man diese Freiheit hat!
Unser nächster Stopp ist ein Campingplatz außerhalb eines anderen weißen Dorfes namens Olvera. Der Campingplatz liegt auf einer Kuppe und hat eine 360-Grad-Aussicht. Die Rezeptionistin telefoniert unablässig und ist bemerkenswert unfreundlich, die Atmosphäre auf dem Platz irgendwie seltsam. Aber für zwei Nächte ist alles ok.

Olvera thront spektakulär auf einer Bergkuppe und wird dominiert von einem maurischen Kastell und einer Kirche aus dem 16. Jahrhundert. Man sieht das Dorf von weitem, und zwar aus verschiedenen Richtungen. Ich mache noch einen kleinen Fahrradausflug dorthin, aber in dem Fall ist der Eindruck von weitem beeindruckender als aus der Nähe. Immerhin hat man schöne Ausblicke von oben ins Land. Ich schaue mir die Kirche La Encarnación an, deren Fassade vor sich hin bröckelt. Innen gibt es mindestens fünf Marien- und mehrere Heiligenfiguren, alle mit echten Gewändern ausstaffiert.


Direkt unterhalb der Burg liegt der Friedhof, von dem aus man weit ins Land blicken kann. Die Grabstätten sind schließfachartig angeordnet, mit Marmorrahmen, in denen die Namen der Verstorbenen neben Marien- oder Jesusdarstellungen stehen und mit Kunstblumen geschmückt sind.

Donnerstag, 23.2.
Nach dem Frühstück fahre ich mit dem Rad nach Setenil de las Bodegas, in dem die Häuser in die Felsüberhönge eines ausgewaschenen Flusstals gebaut sind. Der Weg dorthin führt über kleine Landstraßen und ist grandios. Es ist zwar kühl, aber die Sonne scheint, und die Berge und Hügel erinnern mich abwechselnd an den Hegau oder den Schwarzwald. Die Vegetation ist natürlich mediterran, es gibt überall Olivenplantagen, und an den Straßenrändern wuchern Agaven. In den Plantagen wird überall gearbeitet und viel Grünzeug verbrannt. Ich bin wieder sehr froh über mein E-Bike, weil die Strecke entweder bergauf oder bergab führt. Mit ein bisschen Antrieb ist das gar kein Problem.




Am Nachmittag widmen Claus und ich uns einer wichtigen Aufgabe: der Entsalzung und Entsandung unseres Wohnmobils! Durch die Stürme in Tarifa ist das Auto voller Salz und Saharastaub. Dass wir überhaupt noch etwas durch die Scheiben sehen können, grenzt an ein Wunder. Bei meinem Ausflug nach Olvera habe ich eine Waschstation für LKWs gesehen, die steuern wir an. Porentief rein ist der Wagen danach immer noch nicht, aber wie können wieder durch die Fenster blicken.
Freitag, 24.2.
Heute steht die Mezquita von Cordoba auf dem Programm. Ich habe online eine Eintrittskarte mit Führung gebucht. Die zweistündige Fahrt nach Cordoba ist wieder ein Erlebnis, wenn auch ganz anders als in den letzten Tagen. Zunächst fahren wir durch hügelige Landschaften voller Olivenbäume. Dann wird es flacher. Die Olivenbäume bleiben. Die Landschaft ist weit, der Himmel riesig, und außer einigen Traktoren begegnen uns in der ersten Stunde nur wenig Fahrzeuge. Cordoba liegt in dem weiten, fruchtbaren und landwirtschaftlich intensiv genutzten Tal des Guadalquivir. Dahinter beginnt gleich die nächste Bergkette. Ich habe einen Campingplatz in der Stadt ausgesucht, aber dummerweise nicht vorher angerufen. Als wir ankommen, ist der Campingplatz geschlossen. Praktischerweise gibt es gleich daneben ein Hinweisschild auf den nächsten Platz (vielleicht ging es mehreren anderen wie uns!). Dem folgen wir und kommen 7 km außerhalb von Cordoba in die Berge. Dieser Campingplatz liegt mitten in einem Naturschutzgebiet und ist ein Traum, aber leider ausgebucht. Wir bekommen trotzdem noch ein Plätzchen. Zurück nach Cordoba geht es dann nur mit dem Taxi, aber das klappt problemlos.

Vor der Führung schlendere ich noch ein bisschen durch die Altstadt und die sogenannte „judería“, das ehemalige Judenviertel, in dem es allerdings seit dem letzten Progrom im 15. Jahrhundert kein jüdisches Leben mehr gibt. Die Gässchen sind malerisch, voller Restaurants, Cafés, Bars, Eisdielen und unglaublich vollgestopften Souvenirshops. Und voller Touristen. Meine Güte, es ist ja erst Februar, wie geht es denn hier im Sommer zu?
Die Führerin durch die Mezquita ist eine zierliche Spanierin mit dem sprichwörtlichen spanischen Temperament und tiefer Stimme. Wir bekommen Empfangsgeräte und Ohrstöpsel und können sie somit immer gut verstehen. Sie erzählt mir später, dass sie Kunsthistorikerin ist und sich auf die Geschichte der Mezquita spezialisiert hat. Das merkt man bei jedem Satz. Ihr fundiertes Wissen und ihre Begeisterung für dieses Gebäude reißen die ganze Gruppe mit.


Und die Mezquita ist wirklich unglaublich! Ein über 14.000 Quadratmeter großes Gebäude mit 856 noch existierenden Säulen und Rundbögen. Für die ältesten Teile der Mezquita wurden römische und westgotische Säulen und Kapitelle „recycelt“. Um die unterschiedlichen Höhen der Säulen auszugleichen, wurden sie entweder in den Boden eingelassen oder auf Podeste gestellt. Die Säulen tragen die charakteristischen Doppel-Rundbögen, gestreift aus terrakottafarbenen Ziegeln und weißen Kalksteinen. Nach mehreren Erweiterungen hatte die Moschee 19 Längsschiffe, war 134 Meter breit und 179 Meter lang. Der riesige,, horizontal ausgerichtete Gebetsraum bit Platz für 40.000 Gläubige. Da die Portale an der Nordwand offen waren, floss Licht durch die Halle, was die Farben anders zum Leuchten gebracht haben wird als heute.


Das Besondere an der Mezquita ist die Gleichzeitigkeit von Baustilen aus mehreren Jahrhunderten. Auf dem Fundamenten einer christlichen Kirche wurde im 8. Jahrhundert eine Moschee („Mezquita“) errichtet, in die nach der Reconquista unzählige Grabkapellen sowie – und das ist wohl weltweit einmalig – eine Kathedrale hineingebaut wurden. Inmitten der islamischen Säulen- und Rundbögenarchitektur erhebt sich eine Kirche. Seit dem 13. Jahrhundert ist die „Mezquita Catedral“ ein katholisches Gotteshaus, in dem Messen, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen zelebriert werden. Islamische Architektur aus dem 7. bis 10. Jahrhundert wechselt sich aprupt ab mit gotischen Spitzbögen und Rosettenfenstern und Renaissance-Elementen. Die beeindruckende Schönheit der islamische Säulenhalle wurde dabei empfindlich beeinträchtigt, was sogar König Karl V., der die Genehmigung für den Bau der „Capella Mayor“ erteilt hatte, beklagt haben soll. Aber wie uns unsere Führerin erklärt, ist die Mezquita auch ein Beispiel für die Koexistenz der verschiedenen Stile. Andernorts, zum Beispiel in Sevilla, wurden die Moscheen zerstört, bevor die christlichen Kirchen auf ihren Trümmern errichtet wurden. In Cordoba hingegen blieben die islamischen Elemente erhalten. So wurde zum Beispiel der Glockenturm um das Minarett herumgebaut und existiert bis heute, wenn auch von außen nicht sichtbar. Wegen dieses einzigartigen Nebeneinanders völlig unterschiedlicher Baustile gehört die Mezquita zum UNESCO Weltkulturerbe.


Nach zwei Stunden Führung bin ich etwas geplättet und schlendere nur noch kurz zum Fluß. Auf der ehemaligen römischen Brücke (die heutige ist eine Rekonstruktion) tummeln sich Menschen und hören verschiedenen Straßenmusikanten zu, deren Musik sich gelegentlich überlappt. Es ist eine heitere, entspannte Atmosphäre.
Samstag, 25.2.
Nach dem Frühstück fahren wir über Landstraßen Richtung Sevilla. Wieder ist die Fahrt traumhaft schön. In einem weiten blauen Himmel hängen Wolken wie an Schnüren, wir sehen kilometerweise Oliven- und Orangenplantagen und grasgrünen Weizen. Nachdem wir aus Cordoba heraus sind, wird auch der Verkehr immer spärlicher, und wir haben gelegentlich das Gefühl, wir sind allein auf dieser Straße.

Wir fahren auf einen Campingplatz in einem Vorort von Sevilla, von wo es eine direkte Busverbindung in die Stadt gibt. Diesmal habe ich vorab keinen Eintritt gebucht, was sich als Fehler erweist. In der Tourist Information schüttelt der nette Mitarbeiter nur müde den Kopf, als ich nach Eintrittskarten für die Kathedrale frage. Das gleiche beim Königspalast Alcazar. Für den bekomme ich dann online eine Karte für Sonntag, für die Kathedrale ist das ganze Wochenende ausgebucht. Nix Nebensaison. Die Stadt ist voller Menschen, vorwiegend Spanier, die wie ich später erfahre ein Brückenwochenende vor sich haben (der kommende Dienstag ist ein Feiertag in Andalusien).

Egal, die Kathedrale ist auch von außen imposant und hat ungeheure Ausmaße. Vor dem Baubeginn Amfang des 15. Jahrhunderts sollen die Kirchenoberhäupter sich vorgenommen haben, „eine Kirche zu bauen, die so groß ist, dass künftige Generationen uns für verrückt halten“ (so steht es im Reiseführer Lonely Planet). Sie gilt jedenfalls als die größte gotische Kathedrale der Welt.

Statt der Kathedrale schaue ich mir ein modernes Bauwerk an, den „Metropol Parasol“, den die Sevillaner liebevoll in „Las Setas“, „die Pilze“ umgetauft haben. Das größte Holzbauwerk der Welt steht auf der Plaza de la Encarnación, auf der Anfang der 70er Jahre eine alte Markthalle abgerissen wurde. Danach stand der Platz über 40 Jahre lang leer, bzw. wurde als Parkplatz genutzt. Anfang der 2000er Jahre lobte Sevilla einen Architekturwettbewerb für eine neue Nutzung aus, den der damals junge Berliner Architekt Jürgen Mayer gewann. Die Bauzeit für das neue Wahrzeichen Sevillas war deutlich länger und die Baukosten deutlich höher als geplant. Aber seit seiner Eröffnung im Jahr 2011 ist der Parasol zu einem beliebten Treffpunkt für Sevillaner und Touristen geworden. Die Konstruktion mit ihren organischen Formen ist 150 Meter lang, 70 Meter breit und 26 Meter hoch. Man kann mit einem Lift nach oben fahren und auf einem 250 Meter langen Rundweg über die Pilze die Stadt nach allen Richtungen von oben erleben. Unten gibt es einen erhöhten Platz sowie mehrere Freitreppen. Überall verweilen Menschen, sitzen auf den Stufen, hören Straßenmusikanten zu. Rund um den Platz sind Restaurants und Cafés. Die Pilze und der Raum, den sie gestalten, sind ein beliebter und lebendiger Treffpunkt in Sevilla geworden. Der Parasol hat etwas Magisch-Heiteres an sich.



Sonntag, 26.2.
Nach dem Frühstück nehme ich wieder den Bus nach Sevilla, um mir den Königspalast Alcazar anzusehen. Die Stadt ist noch voller als am Samstag. Auch über die großen Avenuen schieben sich Menschenmassen. Vor dem Alcazar bilden sich Schlangen, obwohl alle, die anstehen, bereits für ein bestimmtes Zeitfenster ihr Ticket haben. Der Palast, oder besser das Palastensemble, ist wieder ein überwältigendes Beispiel für die Vermischung islamischer und christlicher Architektur. Er dient heute noch der spanischen Königsfamilie als Residenz und ist damit der älteste bewohnte Palast Europas. Ursprünglich wurde er im 8. Jahrhundert als maurische Festung angelegt und in den darauffolgenden Jahrhunderten zum Palast erweitert.


Das Herzstück der Anlage, der Palast von Pedro I. (genannt der Grausame) wurde von einem christlichen Herrscher im maurischen Stil erbaut (die Mischung wird als Mudéjar-Architektur bezeichnet). Spätere katholische Herrscher erweiterten den Palast um gotische Elemente. Wohn- und Representationsräume gruppieren sich um mehrere wunderbar angelegte maurische Innenhöfe mit Bäumen und Brunnen.

Und die ganze Anlage öffnet sich zu einem Labyrinth wunderschöner Gärten mit sorgfältig angelegten Sichtachsen, mit Pavillons, Bächlein und Brunnen. In den Gärten verlaufen sich die Menschenmassen gnädigerweise etwas. Ich überlege, wieviele Millionen von Handyfotos hier täglich gemacht werden. Praktisch jeder läuft mit dem gezückten Smartphone in der Hand herum. Ich ja auch!


Nach der Besichtigung erhole ich mich im Museumscafé, das auch im Park liegt und von mehreren penetranten Pfauen bevölkert wird. Den anwesenden Kindern sind die Vögel definitiv nicht geheuer, was ich gut verstehen kann. Beim Weiterschlendern durch die Stadt entdecke ich noch ein kleines, aber feines Museum, das „Hospital de los Venerables Sacerdotes“, ein ehemaliges Hospiz für betagte Priester. Der Barockbau ist – angelehnt an die maurische Architektur – um einen geradezu heiter anmutenden Innenhof mit Säulengang, Keramikfliesen und Orangenbäumen herum gebaut. Nicht nur die Kapelle ist mit Trompe-l‘oeil-Malerei ausgeschmückt, sondern sogar die Sakristei. Das Museum zeigt eine winzige Sammlung von Meisterwerken von Diego Velazquez und Bartomolé Murillo. Es sind nur einige wenige Gemälde, aber die sind wirklich exquisit. Dieses kleine Museumsschätzchen ist wie eine Erholung nach dem Besuch des Alcazar.


Auf dem Rückweg zum Bus laufe ich an einem Café vorbei, das „Churros con chocolate“ anbietet. Das ist eine typisch spanische Kalorienbombe, von der unsere Spanischlehrerin Bea immer geschwärmt hat. Diese Kultur der etwas anderen Art muss zumindest ausprobiert werden. Lustig ist, dass gleich mehrere Spanier beim Vorbeilaufen so etwas wie „aahh, churros“ von sich geben.


Montag, 27.2.
Nach drei Tagen Kultur und Stadt freuen wir uns beide wieder auf ein bisschen Natur. Weil das Wetter die nächsten Tage kälter werden soll, fahren wir nochmal ein Stück nach Süden, und zwar in das Dorf El Rocío im Doñana Naturpark. Der Doñana-Park ist ein riesiges Feuchtgebiet im Flußdelta des Guadalquivir und ein einzigartiges Biotop mit vielen seltenen Vogelarten, darunter Flamingos, mit Luchsen und freilaufenden Hirschen.

Das Dorf El Rocio selbst liegt malerisch an einem Marschsee, in dem Flamingos umherstolzieren, und entpuppt sich als Biotop ganz anderer Art. Das 800-Seelen-Dorf ist jedes Jahr um Pfingsten Treffpunkt von rund 1 Million (!) Pilgern aus dem ganzen Land. Ziel der Pilger ist die Statue der Heiligen Jungfrau aus der Kirche Ermita del Rocio, die am Pfingstsonntag aus der Kirche durchs Dorf getragen wird.



Der ganze Ort besteht aus Sandstraßen. Für 800 Einwohner ist er riesig, was daran liegt, dass über 100 Pilger-Bruderschaften große Herbergen vorhalten. Die sind das ganze Jahr über unbewohnt, und die breiten Sandpisten dazwischen menschenleer. Jetzt ist zwar noch nicht Pfingsten, aber wegen des andalusischen Feiertags am Dienstag sind trotzdem viele Menschen im Dorf. Die Besucher heute konzentrieren sich um die Kirche und auf der Promenade. Viele sind hoch zu Roß oder fahren auf Pferdefuhrwerken, manche auf richtigen Planwagen. Vor den Häusern sind praktischerweise Querbalken montiert, an denen man die Pferde festbinden kann. Ebenfalls rund um die Kirche gibt es Souvenirshops, die Votivbilder, Anhänger, Kerzen und alle möglichen Scheußlichkeiten mit dem Bild der Madonna anbieten. Das Ganze ist wirklich höchst schräg und erinnert mehr an Mittelamerika als an Mitteleuropa.
Dienstag, 28.2.
Der Naturpark Doñana ist ein streng reglementiertes Natueschutzgebiet, das nur auf sehr wenigen und abgegrenzten Wegen betreten werden darf. Kurz hinter dem Dorf gibt es ein Besucherzentrum, von wo aus ein knapp 4 km langer Rundweg zu vier Vogelbeobachtungs-Stationen führt. Die Profis trifft man dort mit Ferngläsern und riesigen Teleobjektiven. Fürs Handy sind die Vögel leider etwas zu weit weg.


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